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Donnerstag, 26. Januar 2012

[Rezension] Das Mädchen mit den gläsernen Füßen von Ali Shaw

Die Begegnung mit ihm war wie eine Kollision gewesen und sie hatte gewusst, dass sie ihr Leben lang genau danach gesucht hatte: mit solcher Wucht mit einem anderen Menschen zusammenzuprallen, dass sie für einen Moment mit ihm verschmolz.

St. Hauda's Land ist eine karge und doch magische Inselgruppe mit wundersamen Lebewesen und einsiedlerischen Bewohnern. Ida hat hier, nach dem Ende einer Beziehung, Urlaub gemacht und kehrt nun zurück. Sie sucht Antworten und den rätselhaften Henry Fuwa, von dem sie sich eben diese Antworten erhofft. Denn eine merkwürdige Veränderung geht mit ihr vor und einzig Henry Fuwa, den sie während ihres Urlaubes kennenlernte, verspricht dem Geheimnis auf den Grund gehen zu können. Eine geheimnisvolle Bemerkung über Glasmenschen stärkt Ida in ihrem Glauben, dass Henry ihr helfen könnte. Denn Ida wird zu Glas!

Doch niemand scheint Henry Fuwa zu kennen. Bei Ihrer Suche trifft Ida den introvertierten Midas, der seine Umgebung anscheinend nur durch das Objektiv seiner Kamera wahrnimmt. Mit ihrem traurigen Schicksal schafft es Ida den Knoten in Midas Herzen zu lösen, aber werden sie auch die immer schneller voranschreitende Verwandlung Idas aufhalten können?


Kritik

Mit seinem Debütroman "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" hat der Autor Ali Shaw einem Roman veröffentlicht, der fernab des Mainstreams von Liebe, Verzweiflung, Vertrauen und auch Trauer erzählt.

Der Erzählstil des Autors besticht durch seine blumigen Beschreibungen und vielen, fast schon poetischen Vergleichen. Getragen von den unterschiedlichsten Emotionen wird dem Leser hier einmal etwas völlig anderes geboten. Bildgewaltige und ausführliche Beschreibungen nehmen ungewöhnlich viel Raum ein, lassen allerdings ein realistisches Bild entstehen und schaffen eine teilweise magische vor allem aber eine sehr melancholische Atmosphäre. Ali Shaw lässt unglaublich lebendige Bilder entstehen die Tiefe haben. Der Autor hat viele ungewöhnliche und ansprechende Ideen, die er in seinem Roman umsetzt. Da wären Quallen, die für Feuerwerke im Meer verantwortlich sind, niedliche Ochsenmotten und gläserne Menschen, die am Grund eines Sees liegen. Leider werden diese "Wunder" nur am Rande behandelt und irgendwann fragt der Leser sich, welchen Sinn und Grund diese magische Wesen für den Roman und seine Handlung haben. Denn eigentlich geht es mehr um die eigenbrötlerischen Menschen, vor allem Midas, die St. Hauda's Land bewohnen. In verschiedenen Handlungssträngen, die in den Zeiten hin und her springen, geht es hauptsächlich um Midas Kindheit und Jugend und sein stark gestörtes Verhältnis zu seinem Vater. Ständige Rückblenden und Perspektivenwechsel lassen der Handlung in der Gegenwart kaum Raum, erklären aber so, wie Midas und andere Figuren zu dem wurden, was sie sind. Der Fantasyanteil ist daher verschwindend gering und die magischen Wesen sollten als reine Dekoration angesehen werden, mehr sind sie nicht. Dennoch hat der Autor einen einzigartigen Plot geschaffen, der davon erzählt wie tiefe Wunden aus der Vergangenheit geheilt werden und dass jede Sekunde des Lebens genossen werden sollte, allzuschnell könnte dieses enden.

Erzählt wird die Geschichte um Midas und Ida aus der Perspektive einer beobachtenden Person. Rückblickend erzählt uns dieser Beobachter, was sich in den verschiedenen Zeitspannen ereignet hat. Der Fokus springt dabei zwischen verschiedenen Personen hin und her, dies kann schon mal verwirren. Gerade deshalb lernt der Leser so aber die unterschiedlichsten Charaktere kennen. Überraschenderweise erfährt der Leser von Ida am wenigsten.

Obwohl der Roman wirklich zu fesseln weiß, kommt kaum Spannung auf, hier wird hauptsächlich auf Emotionen gebaut. So wird der recht unvorbereitete Leser mit Emotionen wie Hass, Verzweiflung, Liebe, Freude und Trauer konfrontiert. Wer einen Fantasytitel erwartet hat, wird daher nicht schlecht staunen. Aber gerade dies macht den Roman aus.

Jeder Darsteller hat hier sein Päckchen zu tragen und der Autor lässt uns Leser bis auf den Grund der Seele schauen. Alle Darsteller zusammen machen die Geschichte zu etwas Besonderem.

Der Hauptdarsteller ist eindeutig Midas, ein Mensch, der die Welt hauptsächlich durch das Objektiv seiner Kamera wahrnimmt. Für Fotos lebt er. Schaut man dann in die Seele des jungen Mannes offenbart sich en Mensch, der keine Nähe zulassen kann und sein Herz verschließt. Nach und nach erfährt der Leser, warum er sich so entwickelte.

Ida ist das genaue Gegenteil von Midas und bemüht sich den Knoten in Midas Herzen zu lösen, etwas was Midas ihr sehr schwer macht. Dies und die Tatsache, dass sie langsam aber sicher zu Glas wird, könnte Ida verzweifeln lassen.

Eine bedeutende Rolle spielt auch noch Carl, er war zu Jugendzeiten sehr verliebt in Idas Mutter und hat nie loslassen können. Selbst dann nicht als Idas Mutter starb. Ida sieht in ihm eine Art Onkel, aber ist dies auch das, was Carl für sie sein möchte?

Im Laufe des Romans entschlüsseln sich die verschiedenen Beziehungen zwischen den so unterschiedlichen Charakteren.

Die Aufmachung des Romans ist ein wahrer Eyecatcher. Der silberfarbene Schnitt und das in gleicher Farbe gehaltene Lesebändchen sind für sich schon etwas Besonderes. Die Gestaltung des Covers passt absolut zum Plot, etwas düster und doch irgendwie wunderschön. Jedes Kapitel zeigt am Anfang florale Dekoration, die einfach nur schön anzusehen ist.


Autor

Ali Shaw wurde 1982 geboren und wuchs in einer kleinen Stadt in Dorset, Großbritannien, auf. Nach seinem Abschluss in englischer Literatur an der Universität von Lancaster arbeitete er als Buchhändler und in einer Bibliothek in Oxford. Sein Debüt "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" war ein großer Überraschungserfolg und wurde in 18 Sprachen übersetzt. Gerade hat Ali Shaw seinen zweiten Roman beendet.


Fazit

Ali Shaws Roman "Das Mädchen mit den gläsernen Füßen" berührt, daran ist nicht zu rütteln. Die eingestreuten Fantasyelemente wirken, trotz ihrer Originalität, jedoch völlig fehl am Platze. Leser, die ein Fantasybuch erwarten, werden definitiv enttäuscht sein. Wer sich allerdings auf eine poetische, emotionale Geschichte mit Tiefgang einlassen wird, hat die Chance hier ein wahres Kleinod zu entdecken.

Ali Shaw hat einen eindrucksvollen Debütroman geschrieben, der gefühlsbetonten Tiefgang hat, mit wunderschönen Bildern aufwartet und tief in die Seelen seiner Darsteller blicken lässt.


Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3839001318
Orginaltitel: The Girl with Glass Feet
www.script5.de

2 Kommentare:

Elle hat gesagt…

Ich weiß nicht wirklich, was ich von dem Buch halten soll. Die Leseprobe war ziemlich schön, die Sprache klang dort wirklich super und allgemein ist mir Tiefgang schon wichtig. Wenn Fantasy allerdings so gewollt ist, finde ich es ebenfalls furchtbar... hach, ich bin mir echt unsicher, ob ich das Buch lesen soll. Schöne Rezi auf jeden Fall!

Liebe Grüße
Elle

jucele`s World hat gesagt…

Wenn du ein Buch mit Tiefgang lesen möchtest ... du wirst begeistert sein (ich war es auch, auch wenn ich erst mit etwas anderem gerechnet habe)!!!
Wenn dein Fokus allerdings auf dem Fantasy Anteil liegt solltest du dich ... überraschen lassen, das nimmt ja auch jeder anders wahr.
Es ist wirklich schön ...

Liebn Gruß
Nadine

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