Die 16 Jahre alte Lara McLane lebt seit dem Tod ihrer Eltern
bei ihrem Großvater Henry McLane in Edinburgh. Ihre Eltern verstarben, als Lara
noch ein sehr kleines Kind war, und so fehlt Lara, obwohl ihr Großvater ihr
möglichst viele Fragen beantwortet, der richtige Bezug zu ihren Eltern.
An ihrem 16. Geburtstag bekommt sie von ihrem lebenslustigen
Großvater neben einem MP3-Spieler auch einen geheimnisvollen Schlüssel
geschenkt. Diesen erhält sie mit den Worten: "Betrachte dies hier als
Möglichkeit" und "Du wirst schon herausfinden, zu was dieser
Schlüssel taugt".
Später am Vormittag will Lara probieren, zu welcher Tür
dieser wunderschöne Schlüssel passt, und tatsächlich, der Schlüssel passt in
die Haustür! Als Lara diese dann aber öffnet, staunt sie nicht schlecht: Obwohl
sie und ihr Großvater im zweiten Stock wohnen, steht sie zwei Ecken entfernt
auf der Victoria Street. Als Lara den Schlüssel erneut in das Schloss der Tür,
aus der sie gerade kam, steckt, funktioniert dieser nicht mehr. Das Nächste,
was Lara dann sieht, ist ein kleiner Laden mit der Aufschrift "Schlüssel,
Uhren, Feinmechanik, Inhaber B. Quibbes".
Um dem Geheimnis ihres neuen Schlüssels auf den Grund zu
gehen, betritt Lara den Laden, und das Erste, was sie dort zu Gesicht bekommt,
ist ein pechschwarzer Kolkrabe. Dann wird Lara auf Tom aufmerksam, der den
Inhaber Baltasar Quibbes dazuholt. Nach einer Unterhaltung, in der Mr. Quibbes
ihr offenbart, dass schon ihr Vater bei ihm das Handwerk des Schlüsselmachens,
eines ganz besonderen Schlüsselmachens, gelernt hat, steht für das junge
Mädchen fest, dass sie das Angebot annehmen wird, ebenfalls bei Mr. Quibbes in
die Lehre zu gehen.
Dies alles, der Schlüssel, die Hoffnung. mehr über ihre
Eltern zu erfahren. und die unverhoffte Lehrstelle, ist aber nur der Anfang
eines magischen Abenteuers, in dem Lara sich bald befindet. Gemeinsam mit Tom
und Mr. Quibbes lernt sie das geheimnisvolle und mystische Ravinia kennen, in
dem viele besonders oder auch magisch talentierte Menschen zu Hause sind. Dort
gibt es allerdings auch eine große Gefahr, und bald versucht Lara mit Lee, der
ebenfalls Waise ist, und Tom, Ravinia und seine Bewohner zu retten.
Kritik
Mit "Ravinia" hat der deutsche Autor Thilo
Corzilius sein magisches Debüt veröffentlicht. Ähnlich wie Christoph Marzi und
auch Ralf Isau bewegt sich Thilo Corzilius außerhalb der ausgetreten Wege der
momentan bevorzugten Fantasy. Mit einem feinsinnigen und mystischen Plot
schafft es der Autor auch ohne Vampire, Werwesen und anderen Dämonen, den Leser
zu fesseln und zu überzeugen.
Auch sprachlich überzeugt "Ravinia", teilweise
schon poetisch verwendet Thilo Corzilius einen sehr ausdrucksstarken und dabei
flüssigen Sprachstil. Überaus greifbar bringt der Autor seinen Lesern die Welt
Ravina nah. Dabei wird aber nicht nur Ravinia sehr lebhaft beschrieben, auch
die realen Orte, wie zum Beispiel Edinburgh, die Wohnung von Lara und ihrem
Großvater oder die Werkstatt Mr. Quibbes werden authentisch beschrieben und
lassen so realistische Bilder entstehen.
Dabei verrennt sich der Autor niemals in seinen
Schilderungen, sondern gibt auch der Handlung den benötigten Raum, sich zu
entfalten. Lediglich die am Anfang recht oft vorkommenden Wiederholungen
bestimmter Substantive können als störend empfunden werden, doch dies gibt sich
im weiteren Verlauf der Geschichte.
Der Spannungsbogen baut sich sanft auf. Viel Wert legt der
Autor erst einmal darauf, dass der Leser die Charaktere mit ihren besonderen
Begabungen und Ravinia kennenlernen kann. Die Neugierde wird dabei von Seite zu
Seite mehr angestachelt, möchte man doch schnell hinter die Geheimnisse der
verschiedenen Figuren kommen. Als nach einem furchtbaren Ereignis der
Spannungsbogen dann stark anzieht, kann das Buch kaum noch aus der Hand gelegt
werden. Auch die Nebenhandlungen und Rückblicke, die hier durch
Tagebucheinträge dargestellt werden, passen optimal zum Plot und ergänzen
diesen meisterhaft. Mit seinem atmosphärisch dichten Sprachstil spricht Thilo
Corzilius zusätzlich die Sinne des Lesers an.
"Ravinia" ist so weit abgeschlossen, dabei bleiben
aber trotzdem einige Fragen offen, die hoffentlich in weiteren Teilen um diese
fantastische Welt und ihre liebenswerten Figuren geklärt werden.
Aus der Perspektive eines Beobachters wird Laras Geschichte
erzählt. Da sich diese dritte Person dabei auf Lara konzentriert, werden die
Stimmungen und offenen Fragen der jungen Protagonistin sehr einleuchtend
übermittelt. Gemeinsam mit Lara lernt der Leser so die Gepflogenheiten und
Besonderheiten ihrer neuen Welt kennen.
Auch die abwechslungsreichen und sehr sympathischen Figuren
sind sehr ansprechend konzipiert, lediglich die Antipoden waren recht blass
gezeichnet. Durch die präzise Beschreibung der äußerlichen Merkmale und der
abwechslungsreichen Charaktereigenschaften der Protagonisten fällt es leicht,
sich diese als lebendige Menschen vorzustellen. Auch entwickeln sich die
Charaktere glaubwürdig durch die Ereignisse weiter.
Besonders wird hier Lara McLane hervorgehoben. Liebevoll
gezeichnet, erlebt der Leser mit, wie das junge Mädchen mit der
Verschlossenheit mancher Charaktere kämpft. Besonders wird sie dadurch
angetrieben, mehr über ihre Eltern zu erfahren, um nach Jahren eine Bindung zu
den viel zu früh Verstorbenen zu entwickeln. Auf ihrem Weg schließt das junge
Mädchen Freundschaften fürs Leben und schreckt auch nicht vor Gefahren zurück,
um die magische Welt, die sie gerade erst kennenlernt, zu verteidigen.
Passend zum Plot ist das Cover düster gehalten, lediglich
eine schemenhafte Skyline und eine Schar Raben sind vor einem bläulichen Mond
erkennbar.
Fazit
Mit seinem Debütroman "Ravinia" hat Thilo
Corzilius bewiesen, dass er durchaus mit den deutschen Größen der
Fantasyliteratur mithalten kann. Mit seinem außergewöhnlichen Erzählstil
entführt der Autor uns Leser in eine völlig neue Welt, die zu entdecken sich
lohnt.
Jungen sowie jung gebliebenen Lesern der Urban Fantasy kann
ich dieses Buch nur ans Herz legen. Eine spannend, mystische Geschichte um
verlässliche Freundschaft und eine große Gefahr erwartet den Leser. Bleibt zu
wünschen, dass wir noch viel von Thilo Corzilius lesen können und er
hoffentlich die Geschichte um Ravinia und seine besondere Bevölkerung
weitererzählt.
Autor
Thilo Corzilius, 1986 in Dortmund geboren, studiert in
Göttingen Evangelische Theologie und schreibt nach eigenen Angaben "schon
immer irgendwie". Er geht häufig ins Kino, spielt in diversen Bands und
reist leidenschaftlich gerne in Länder mit rauem Klima - zum Beispiel nach
Schottland. Der bekennende Whisky-Liebhaber fand für sein Debüt sehr schnell
eine Agentur und brachte es dann praktisch über Nacht beim Piper-Verlag unter.
Broschiert: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3492267618
www.piper-verlag.de
Leseprobe
©Nadine Warnke
2 Kommentare:
Klingt interessant! Von diesem Buch habe ich bisher noch nichts gehört...
Ein Fall für meine MUSS-ICH-HABEN-LISTE!
Danke für diese schöne Rezension.
glg, Tanja
ich fand es auch wirklich grandios :-)
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